KNIEGELENK

Verletzungen und Pathologien des Kniegelenkes stellen einen zentralen Schwerpunkt unserer chirurgischen Tätigkeit dar. Besonders in unserer Region Tirol treten Kniegelenksverletzungen viel häufig auf, als in anderen Regionen. Dies hat mit dem Sport- und Freizeitverhalten der Bevölkerung zu tun. Die Praxisgemeinschaft besitzt eine inzwischen jahrzehntelange Erfahrung in der Behandlung von Verletzungen und Schädigungen des Kniegelenkes. Seit Bestehen der Praxisgemeinschaft wurden mehr als 5.000 operative Eingriffe am Kniegelenk durchgeführt. Unser chirurgisches Repertoire umfasst die Rekonstruktion verletzter Bänder, Meniskuschirurgie, knorpelchirurgische Interventionen, die Versorgung von Gelenksfrakturen, vorwiegend Schienbeinkopffrakturen und den prothetischen Kniegelenksersatz.

Bandverletzungen

Bandverletzungen des Kniegelenkes ereignen sich vor allem in den Wintermonaten sehr häufig. Ganz im Vordergrund steht der Riss des vorderen Kreuzbandes, zum Teil in Kombination mit den Seitenbändern. Hintere Kreuzbandverletzungen sind im Rahmen von Sportverletzungen eher selten, sie sind häufiger Folge von Anpralltraumen, auch im Rahmen von Verkehrsunfällen.

Vorderes Kreuzband

Risse des vorderen Kreuzbandes sind sehr häufige Kniegelenksverletzungen, vor allem im Rahmen des Schisports. Die Behandlung eines Kreuzbandrisses erfordert ein individuelles therapeutisches Vorgehen. In erster Linie ist eine sofortige magnetresonanztomographische bildgebende Abklärung des verletzten Kniegelenkes durchzuführen, um Begleitverletzungen (Meniskusrisse, Knorpelverletzungen) zu erfassen. Unter Berücksichtigung des Alters, des Aktivitätszustandes, des sportlichen Anforderungsprofils wird dann auch in Abhängigkeit der Schwere der Begleitverletzungen ein individuelles Behandlungskonzept für den Patienten erstellt.

Handelt es sich um eine isolierte Verletzung des vorderen Kreuzbandes, kann wiederum unter Berücksichtigung der oben angeführten Parameter auch eine nicht operative Behandlung mit einer Kniegelenksschiene und einer entsprechenden physiotherapeutischen Nachbehandlung durchgeführt werden.

Besteht Operationsindikation zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes, so führen wir in 95% der Fälle eine Rekonstruktion des gerissenen Bandes mit körpereigenem Sehnengewebe durch (Semitendinosus mit oder ohne Gracilissehne als Vierfachsehnentransplantat). Der operative Eingriff ist standardisiert. Wir führen im Grundsatz diese Operationstechnik seit 20 Jahren mit Erfolg durch. Die Fixation der Sehnentransplantate erfolgt durch Titanplättchen am Oberschenkel und resorbierbare (im Körper auflösbare) sogenannte Interferenzschrauben, die im Schienbeinknochen eingedreht werden.

Auf Grund dieser über Jahre entwickelten standardisierten Operationstechnik und auch eines standardisierten Rehabilitationsprotokolls sind die postoperativen Ergebnisse sehr gut. Die Praxisgemeinschaft führt pro Jahr 80 bis 100 Rekonstruktionen des vorderen Kreuzbandes durch.

Hinteres Kreuzband

Die Verletzung des hinteren Kreuzbandes ist selten. Analog der Versorgung des vorderen Kreuzbandes wird das hintere Kreuzband auch in arthroskopischer Technik ersetzt. Auch hier kommen körpereigene Sehnentransplantate (Semitendinosus und Gracilissehne vierfach) zur Anwendung. Je nach sportlichem Anforderungsprofil kommt entweder eine Einkanal- oder eine Doppelkanaltechnik zur Anwendung.

Seitenbänder

Seitenbandverletzungen, vor allem des inneren Knieseitenbandes, sind häufig als Begleitverletzung bei vorderen Kreuzbandrissen vorliegend. Das äußere Seitenband ist sehr selten mitverletzt. Die Kombination einer vorderen Kreuzbandverletzung mit äußerem Seitenband ist sehr selten, die Kombination einer hinteren Kreuzbandverletzung mit äußerem Seitenband ist häufiger.

Auch die Seitenbandverletzungen werden nach einem individuellen Behandlungskonzept versorgt. Liegt eine Seitenbandruptur in Kombination mit einer vorderen Kreuzbandruptur vor, so steht die Versorgung des vorderen Kreuzbandes ganz im Vordergrund der chirurgischen Behandlung. Eine operative Behandlung, vor allem des inneren Knieseitenbandes, wird nach magnetresonanztomographischer, genauer Lokalisation der Rupturstelle unter folgenden Bedingungen durchgeführt:

  • Abriss des inneren Knieseitenbandes vom Knochen des Schienbeinkopfes:
    Der sogenannte distale Abriss des Seitenbandes bedarf in nahezu allen Fällen einer operativen Refixation. Eine Spontanheilung mit stabilem Ausheilungsergebnis ist hier nicht zu erwarten.
  • Liegt im Rahmen einer Kreuzbandverletzung ein kompletter Abriss des inneren Knieseitenbandes und des hinteren Schrägbandes vor und präsentiert sich das Kniegelenk nach versorgtem Kreuzband nach wie vor in gestreckter Stellung instabil, so führen wir in diesen seltenen Fällen auch eine subtile Naht und anatomische Rekonstruktion der inneren Knieseitenbandstrukturen durch.
  • Isolierte Knieseitenbandrisse, bei denen die Bandstümpfe nicht vom Knochen abgerissen sind, werden in allen Fällen ausschließlich mit einer Kniegelenksorthese nicht operativ behandelt.

Äußeres Knieseitenband

Isolierte Rupturen des äußeren Knieseitenbandes sind die Ausnahme. Im Rahmen von Komplexverletzungen des Kniegelenkes (Knieluxation oder in Kombination mit einer hinteren Kreuzbandverletzung) muß bei entsprechender Instabilität des äußeren Kapselbandapparates hier eine Rekonstruktion im Akutfall vorgenommen werden.

Vordere Kreuzbandruptur bei Kindern und Jugendlichen

Kreuzbandrisse bei Kindern und Jugendlichen wurden früher ausschließlich nicht operativ behandelt. Im Laufe der letzten 20 Jahre haben sich die Behandlungsstrategien hierzu deutlich verändert. Auf der Basis eingehender wissenschaftlicher Untersuchungen und auf Grund der dokumentierten Spätfolgen einer nicht versorgten Kreuzbandverletzung bei Kindern (Meniskus- und Knorpelschädigungen bereits im Jugendalter) wurde das Indikationsspektrum zur Versorgung von kindlichen Kreuzbandverletzungen deutlich erweitert. Bei entsprechendem sportlichem Anforderungsprofil oder gar bei Begleitverletzungen des Meniskus besteht die Möglichkeit Kreuzbandrisse bei Kindern ab dem 10. Lebensjahr operativ zu versorgen. Es werden ebenfalls körpereigene Transplantate verwendet. Die Operationstechniken sind jedoch speziell modifiziert auf Grund der noch offenen Wachstumsfugen des Oberschenkels und des Schienbeinkopfes. Zur Fixation werden Implantate verwendet bzw. die Bohrkanäle werden dementsprechend gesetzt, daß die Wachstumsfugen durch die Bohrungen kaum beeinträchtigt werden. Naturgemäß ist eine lokalisierte Störung des Knochenwachstums im Bereich der Bohrkanäle nie mit 100%iger Sicherheit auszuschließen. Unter Berücksichtigung aller technischen Parameter kann dieses Risiko aber minimiert werden. Hierzu liegen evidenzbasierte klinische Studien vor.

Sonderform der knöcherne kindliche Kreuzbandausriss
(sogenannter Ausriss der Eminentia intercondylica)

Beim noch wachsenden Skelett kann das vordere Kreuzband bei Kindern und Jugendlichen mit einem Knochenstück aus dem Schienbeinkopf herausgerissen werden (sogenannter Eminentiaausriss oder knöcherner vorderer Kreuzbandausriss). Diese Verletzungsvariante ist selten. Je nach Schweregrad wird bei diesen Verletzungen eine Röntgenaufnahme des Kniegelenkes in voller Streckung bzw. Überstreckung durchgeführt, wodurch die Möglichkeit besteht, daß sich das Knochenfragment in die Ausrissstelle wieder einpresst. In diesen Fällen wird nicht operativ behandelt und das Kniegelenk in Streckstellung für mindestens 4 Wochen ruhiggestellt. Die Ausheilungsergebnisse hier sind sehr gut.

Verschobene (dislozierte) knöcherne vordere Kreuzbandausrisse bedürfen einer operativen Behandlung. Die Praxisgemeinschaft führt eine spezielle arthroskopische Technik durch ohne große Eröffnung des Kniegelenkes. Mit kleinen kanülierten Titanschrauben kann mit dieser subtilen Technik eine anatomische Refixation des Knochenfragmentes durchgeführt werden. Diese Operationstechnik wird seit Jahren mit sehr guten Ergebnissen von uns angewandt.

Meniskus

Meniskusrisse sind häufig. Sie entstehen beim jungen Patienten ausschließlich durch Verletzungen, beim Patienten des mittleren und höheren Alters in einer Kombination aus einer mehr oder weniger auslösenden Verletzung zusammen mit einem physiologischen Degenerations- und Alterungsprozess des Meniskusgewebes. Meniskusschäden werden individuell wieder unter Berücksichtigung des Alters, des Gesamtschädigungsgrades des Gelenkes und der Rupturform behandelt.

Beim jungen Patienten ist, wenn immer möglich, ein weitgehender Erhalt des Meniskusgewebes anzustreben. Nach Entfernung eines Meniskus ist das Risiko eine Kniegelenksarthrose zu bekommen, drastisch erhöht.

Folgende Meniskusnahttechniken kommen zum Einsatz:

  • Die sogenannte Inside/Out-Naht
    Es handelt sich um eine seit Jahrzehnten erfolgreich angewandte chirurgische Technik. Der Eingriff wird arthroskopisch durchgeführt, mit speziellen Nadeln werden über Kanülen Zugnähte durch den Meniskus und die Gelenkskapsel gebracht und dann außerhalb des Gelenkes geknüpft. Ausgedehnte Meniskusrisse wie sie im Rahmen einer komplexen Bandverletzung auftreten, können mit dieser Technik rekonstruiert werden.
  • Die sogenannte Inside/In-Technik
    Im Kniekehlenbereich des Meniskus (vor allem am äußeren Meniskus) sind konventionelle Ausziehnähte technisch nicht möglich. Hinter der Meniskusbasis befinden sich Gefäßnervenstrukturen. Für diese Meniskusrisse wurden spezielle Implantate mit winzigen Plättchen und Nähten mit Schlaufenknoten entwickelt. Es können somit auch Meniskusrisse, die vor vielen Jahren einer Naht noch nicht zugänglich waren, jetzt erfolgreich arthroskopisch fixiert werden.

Meniskuserhaltende Eingriffe werden von der Praxisgemeinschaft ausschließlich bei sehr jungen Patienten durchgeführt.

Kniescheibenpathologien
(Patellaluxation, Subluxation)

Die Kniescheibenverrenkung (Patellaluxation) stellt vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit entsprechenden prädisponierenden Risikofaktoren eine relativ häufige Kniegelenkspathologie dar. Für die Behandlung der Kniescheiben-, Patellaluxationen kommt in der Praxisgemeinschaft für Unfallchirurgie ein standardisierter, diagnostischer und therapeutischer Behandlungsalgorithmus zur Anwendung. Die Entscheidung zur operativen Behandlung der erstmalig aufgetretenen Kniescheibenluxation erfolgt ebenso individuell wie die Auswahl des operativen Behandlungsverfahrens zur Behandlung der immer wiederkehrenden Kniescheibenverrenkung (rezidivierende Patellaluxation).

Die diagnostische Abklärung beinhaltet Röntgenabklärung, Vermessung der Beinachse, Kniegelenks-MRT und in speziellen Fällen eine Rotationsmessung des Oberschenkels und des Ansatzes der Kniestrecksehne (sogenannter TTTG-Index).

Wenn eine Operationsindikation gestellt wird, kommen folgende operative Behandlungsverfahren zur Anwendung:

  1. Rekonstruktion der inneren Kniescheibenhaltebänder (sogenannte Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments)Bei dieser seit mittlerweile mehreren Jahren etablierten Technik wird eine Sehne vom Oberschenkel entnommen und von der betroffenen Kniescheibe in den Oberschenkelknochen eingezogen. Dieser Eingriff ist standardisiert und führt bei entsprechender korrekt gestellter Indikation zu sehr guten klinischen Ergebnissen, auch was die sportliche Belastung anbelangt.
  2. Versetzung des Ansatzes der Kniestrecksehne (sogenannte Tuberositasmedialisierung, Operation nach Elmslie Trillat modifiziert)Sofern in der präoperativen Abklärung eindeutig erkannt wird, daß die Zugrichtung der Kniestreckersehne pathologisch ist, so wird in diesen Fällen die Versetzung des Ansatzes der Kniestrecksehne durchgeführt. Zu diesem Zweck wird am Schienbeinkopf der Ansatz der Kniestrecksehne Richtung Knieinnenseite je nach Schweregrad um 5 bis 10 mm verschoben. Dieser Eingriff kommt nur nach entsprechender strenger Indikationsstellung und präoperativer Diagnostik zum Einsatz. Er kann in Kombination mit einer MPFL-Rekonstruktion durchgeführt werden.
  3. Schwerste Instabilitätsformen die eine chirurgische Behandlung der Knorpelgleitbahn der Kniescheibe am Oberschenkel bedürfen (sogenannte Trochleoplastie) sind sehr selten zur Behandlung einer Kniescheibenverrenkung notwendig. Die Indikation hierfür muß sehr streng gestellt werden. Sollte ein derartiger Eingriff notwendig sein, überweisen wir diese Patienten an die Orthopädische Klinik der Barmherzigen Schwestern nach Linz, Leiter: Prim. Dr. Josef Hochreiter.

Kniegelenksfrakturen

Die häufigsten Frakturen des Kniegelenkes sind Schienbeinkopf- und Schienbeinkopfluxationsfrakturen (Kombination von Knochen- und Bandverletzung).

Schienbeinkopffrakturen sind schwerste Gelenksverletzungen. Derartige Verletzungen müssen nach Erstversorgung und Ruhigstellung einer computertomographischen und manchmal auch magnetresonanztomographischen Abklärung unterzogen werden. Durch die Möglichkeit auch einer dreidimensionalen Darstellung der Fraktur ist eine genaue Klassifikation des Frakturtyps möglich. Anhand des Bildmaterials wird dann für den jeweiligen Frakturtyp das individuelle operative Behandlungskonzept erstellt. Die Versorgung von Schienbeinkopffrakturen erfordert wiederum eine optimale chirurgische Teamarbeit. Sehr oft ist die Rekonstruktion dieser komplexen Knochenbrüche nur durch Transplantation von körpereigenem Knochenmaterial aus dem Becken des Patienten möglich.

An Implantaten kommen bei uns modernste Titanimplantate der letzten Generation mit winkelstabilen Plattensystemen zum Einsatz. In der überwiegenden Zahl der Fälle werden Schienbeinkopffrakturen akut (am Unfalltag) oder subakut (am nächsten Tag) operativ versorgt.

Revisionseingriffe am Kniegelenk

Ein weiterer Schwerpunkt der Kniegelenkschirurgie der Praxisgemeinschaft für Unfallchirurgie ist die sogenannte Revisionschirurgie. Es handelt sich hierbei in der überwiegenden Zahl der Fälle um bereits voroperierte Kreuzbandrisse. Es gibt Kreuzbandtransplantate die aus irgendwelchen Gründen auslockern oder wieder durch ein neuerliches Trauma reißen. In diesen Fällen muß bei entsprechender symptomatischer Instabilität des betroffenen Kniegelenkes eine neuerliche Rekonstruktion des Kreuzbandes durchgeführt werden. In diesen komplexen Fällen muß häufig zweizeitig operativ vorgegangen werden. Zuerst müssen Transplantatreste entfernt werden und die fast immer erweiterten Bohrkanäle nach Primärimplantation eines Kreuzbandes mit körpereigenem Knochenmaterial aufgefüllt werden. In zweiter Sitzung wird dann ein neues Kreuzbandtransplantat eingesetzt nach etwa drei Monaten Einheilungszeit des Knochens. In diesen speziellen Fällen verwenden wir dann zumeist Transplantate des Kniestreckapparates (Ligamentum patellae- oder Quadrizepssehne).